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Abfahrt

  • Autorenbild: Johanna
    Johanna
  • 9. Juli 2022
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 11. Juli 2022

Es ist nicht mal drei volle Tage her, dass ich London verlassen habe. Und trotzdem kommt mir mein Leben dort so unfassbar weit weg vor, dass ich kaum glauben kann, die letzten neun Monate dort verbracht zu haben.



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Mittwoch habe ich meinen letzten Koffer nach Deutschland geschickt. Die Tage davor waren ein einziges Chaos, denn Dank des Brexits musste ich jedes einzelne Ding in meinem Koffer in eine Liste eintragen, und beten, dass der Zoll alles absegnen wird. Sachen einpacken und wieder auspacken, in eine separate Tasche packen und frustriert recherchieren, ob ich wirklich keinen Lippenstift nach Deutschland schicken kann (nein, kann man nicht). Natürlich hat nicht annähernd alles in meinen Koffer gepasst. Die unzähligen Kilo-Sales, bei denen ich in Brixton voller Begeisterung monatlich taschenweise Vintage-Klamotten gekauft habe, machten sich nun bemerkbar. Also wurde noch ein extra Paket gepackt, und mit etwas Gewalt hat auch dort alles reingepasst.


Nach einem letzten Gang zu den Mülltonnen, wo ich mich auch von meinen Geburtstagsblumen trennen musste, war mein Zimmer fast leer. Nur mein riesiger Reiserucksack stand ans Bett gelehnt, und die Tasche mit Laptop und sämtlichen Dingen, die ich nicht nach Deutschland schicken konnte. Alles sah so aus, wie ich es vor über neun Monaten vorgefunden habe. Keine Fotos an der Wand über meinem Schreibtisch, keine Muscheln auf der Fensterbank, die ich in Cornwall, Brighton und Eastbourne gesammelt habe. Die Wand neben meinem Fenster war nun kahl, das Poster von meinem Lieblings-Secondhand Laden in Brick Lane lag schon gefaltet in meinem Koffer. Keine Lichterketten, keine Bücher über Feminismus und Klimawandel im Regal, nur meine Regenjacke hing einsam am Haken. Meine Bettwäsche hatte Erhuore übernommen, und ich saß etwas verloren auf der weißen Kante meiner Matratze. Es war einfach nur seltsam. Ich raffte mich auf und trat ein letztes Mal den 30-Sekunden Weg zum Fork Deli an, um Jess und James zu verabschieden. Auch das schaffte ich nicht ohne Tränen.


Doch wenigstens musste ich meinen letzten Abend nicht ganz alleine verbringen. Ich stieg abends in den 205er Bus nach Shoreditch, wo ich von Mariam in ihrer Studio-Wohnung in den Arm genommen wurde. Sie ist ein so entspannter und lieber Mensch, dass meine traurige Laune gleich ausgeglichen wurde. Morgens gingen wir frühstücken und wie es die Ironie wollte, entdeckte ich erst dann das beste vegane Mandelcroissant, was ich je in London gegessen hatte. Tja, noch ein Grund mehr zurück zukommen.

Mittags stieg ich in den Zug nach Cambridge. Ein letztes Mal drehte ich mich um und blickte auf die Londoner Skyline, den Shard und Gherkin, mit ein paar Hochhäusern von Elephant & Castle im Hintergrund.


In Cambridge wartete Laurie schon auf der anderen Seite der Absperrung, um mich in Empfang zu nehmen. Ich war sehr froh, dass mein erster Stopp bei einer vertrauten Person war. Die Zeit in Cambridge war wie Lauries und meine Freundschaft, entspannt, spontan, mit gelegentlichem Rumalbern und sonnen im Park.


Jetzt gerade sitze ich in meinem Hostel in Nottingham und bin zu müde, um noch irgendwas anderes zu machen als in meinem Bett zu liegen und Musik zu hören. Heute ging es richtig los. Ich alleine, mehr als 22 Ziele in UK, Irland, Frankreich und der Schweiz, zwei Monate nur ich und mein gigantischer und schwerer Rucksack. Einfach nur chillen, wandern und die Ruhe vor dem (Bachelorsarbeits)Sturm genießen.


 
 
 

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