Hostel hier, Hostel da
- Johanna
- 4. Aug. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Halbzeit. Es ist ein komischer Gedanke, seit einem Monat rumzureisen. Selbst, wenn ich nicht zu einem gewissen Grad rastlos wäre, dieser Trip verstärkt es nur. Man sieht die Städte und Landschaften im Schnelldurchlauf, trifft unfassbar viele Menschen und schläft in Hostels mit noch mehr Menschen. Ich kann mich noch nicht ganz entscheiden, ob ich es liebe oder ob ich nach Hause will.

Klar, mit ein bisschen Heimweh hat man immer zu kämpfen. Ich war seit Weihnachten nicht mehr in der Heimat und hab manche meiner Freunde seit über einem Jahr nicht gesehen. Es ist Sehnsucht. Nach vertrauten Menschen, vertrauter Umgebung und einer Leichtigkeit, die man nur zu Hause hat, wo ich im Schlaf die richtige BVG-Verbindung nehmen würde. Ich vermisse die veganen Aufstriche (seit einem Jahr muss ich Hummus in drei Geschmacksrichtungen essen), das billige deutsche Bier, und Brot, was nicht Toast ist. Ich vermisse es, in einem großen Bett zu schlafen, alleine, und ein Bad zu haben, wo ich mich nicht in der Dusche umziehen muss. Ich vermisse es, im Schlafshirt zu frühstücken und nicht jedes Lebensmittel mit einem Sticker mit meinem Namen drauf zu versehen. Und ich vermisse laut Musik hören, Workouts vor dem Fernseher, faule Tage auf der Couch und spontames Kaffee trinken gehen mit meinen Leuten.
Ich kann schon die Ansage der S2 hören, "Nächste Station: S-Bahnhof Schichauweg", ich sehe die unzähligen Dönerläden (Gott, was würde ich für einen berliner Falafeldöner geben!) vor mir und schmecke das Bier in meiner Lieblingskneipe nahe Rosenthaler Platz auf meiner Zunge.
Aber ich weiß auch, dass es zu Hause nur zu einer anderen Art von Sehnsucht wird. Von Ort zu Ort ziehen, weite und unendliche Landschaften sehen, mit fremden Menschen über Gott und die Welt reden. Im Bus sitzen und die Berge anschauen, mal das Gesicht warm von der Sonne, mal mit Gänsehaut von der Kälte des Regens. Ich werde das vorgeschnippelte Gemüse aus den Supermärkten vermissen, die Herzlichkeit von den Freiwilligen in den (meisten) Hostels. Und so sehr ich dass Schmittz liebe, manchmal will ich einfach nur in einem Pub sitzen, ein Pint Camden Hells in der Hand und einem random Musiker beim Singen von schottischer Volksmusik zuhören.
Wahrscheinlich ist es egal wo ich bin, ein Teil möchte immer an einem anderen Ort sein. Aber das ist okay.
Ich sitze gerade in einem Hostel in Glasgow und versuche, mich von meinem Muskelkater zu erholen. Gestern war ich in der Nähe von Oban in den Highlands ausreiten, es war einfach nur schön. Wir sind Hügel hochgaloppiert und haben Aussichten bis zum Gebirge gehabt, sind durch Bäche und Felder und hatten perfektes Wetter. Ich hab Reiten immer vermisst, aber erst wenn ich dann wieder auf einem Pferd sitze, wird mir klar, dass es nichts gibt was dieses Gefühl ersetzt oder mich auf diese Art und Weise glücklich macht. Es war definitiv einer der besten Tage der gesamten Reise (dank Muddi und Vaddi, die es möglich gemacht haben. Ich war drei Nächte in Oban, tagsüber hats meistens nur geregnet und gestürmt. Trotzdem waren die Aussichten auf Wasser und die umliegenden Inseln atmeberaubend.
Zuvor war ich im Norden der Isle of Skye, in einem zwei-Straßen Dorf namens Uig. Das Hostel war ein richtiger Glücksgriff, von den bunten Sofas aus konnte man bis zu den steilen Ufern der Insel blicken. Das Wetter war wechselhaft wie eh und jeh, aber den letzten Tag hatte ich Glück, und die Sonne schien. Zwei super liebe Mädels aus dem Hostel nahmen mich mit in ein Wandergebiet und ersparten mir so 5 Stunden hin- und zurücklaufen. Meine Route hatte natürlich wieder einen Horror-Abstieg, der im Grunde in den Ausläufen einer Gerölllavine stattfand. Doch von dem höchsten Punkt überblickte ich die Felswände, unzählige kleine Seen und Bergformationen und das Meer.
Bevor ich nach Uig bin, verbrachte ich drei Tage in Inverness. Meine Laune war nach dem grauen Aberdeen semi gut, was sich nach meiner Ankunft aber schnell änderte. Das Hostel war super gemütlich, es gab einem richtige heimelige Gefühle. Ich begann, mit zwei der Freiwilligen, die dort arbeiten, zu schnacken. Die nächsten Tage verbrachte ich nur mit den beiden, Ewan, der seit Jahren in Inverness wohnt, und Ben, der aus den USA für 5 Wochen nach Schottland gekommen ist. Wir redeten über Sherlock Holmes, zeigten uns tanzend in der Küche unsere aktuellen Spotify-Favoriten und ich versuchte, ihnen die Aussprache von "Dirndl" beizubringen (ich habs nicht geschafft). Ich war ehrlich traurig, als ich Inverness verließ. Das ist der Nachteil am Reisen. Man kann nie genug Zeit mit den Leuten verbringen, mit denen man klickt.
Samstag geht es rüber nach Nordirland, wo ich eine Runde bis runter nach Cork mache. Danach steht nur noch Dublin, von wo ich wieder nach Wales fahre, Cardiff, London und Paris auf der Liste. Dann werde ich wahrscheinlich darüber schreiben, wie schnell die Zeit verging, und ich mir weder vorstellen kann, nach Hause zu fahren, noch weiterzureisen.
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