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Kulturschock Nr. 2: Vietnam

  • Autorenbild: Johanna
    Johanna
  • 15. März
  • 8 Min. Lesezeit

Ob ich eigentlich einen Post pro Land schreiben wollte? Ja. Ob so viel los war, ich so viel gesehen und erlebt habe, und so tolle Menschen kennengelernt habe, dass ein Post für drei Wochen Vietnam schon knapp ist? Ja! Aber hey, was wäre diese Blog ohne eine Flut an Informationen, Namen, schwer aussprechbaren Orten und random Gedanken?


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Hanoi

Der Flug von Shanghai nach Hanoi verging erstaunlich schnell, und noch schneller war das Einsammeln meines Rucksacks am Gepäckband (innerlicher Freudentanz, dass nichts verloren gegangen ist!). Dachte ich, dass mich die Sonne anstrahlen wird, sobald ich den Flughafen verlasse? Das einzige was mich angestrahlt hat, waren maximal aufdringliche Taxifahrer, die vermutlich allesamt Scammer waren, und auch nach einem sehr angepissten und aggressiven Nein meinerseits nicht locker ließen. Nachdem ich die Panik und Überforderung möglichst beiseite geschoben hatte, bestellte ich ein Grab (asiatisches Uber), und war heilfroh, als ich endlich im Taxi auf dem Weg zum Hostel saß. Mit der Ruhe kamen natürlich auch die Emotionen. Die Zweisamkeit mit Laurie war zu Ende und nun war ich SOLO in Vietnam. Der graue Himmel und absolut anarchische Verkehr halfen nur wenig. Ich wusste schon bevor ich diese Reise geplant hatte, dass es nicht immer einfach sein würde. So gesehen war ich schon irgendwie darauf vorbereitet, dass in Momenten, wo man vertraute Menschen oder Orte, die man sehr mochte, verlässt, die Heimweh doller wird.


Trotzdem: die Hanoi-Gefühle waren nichts im Vergleich zu den ersten Wochen in London. Als ich im Taxi saß schrieb ich schon mit einer Kanadierin von Hostelworld und wir verabredeten uns fürs Abendessen. Das Hostel war zwar nicht das schönste, in dem ich je war, aber es gab eine sehr coole Dachterrasse, wo ich meine erste Stunde in Hanoi verbachte. Krimineller Weise gingen wir für Dinner in eine Pizzeria, aber es war absolut nötig, mal etwas ohne Sojasoße zu essen. Und wie konnte es auch anders sein, die Gesellschaft, ein Bierchen, und eine etwas ruhigere Seitenstraßen beruhigten mich enorm.


Nach einer semi guten Nacht saß ich schon um halb Acht beim Frühstück (was eine sehr weirde Kombo aus Fried Rice, Pak Choi, Wassermelone, Weißtoast und Ofenkartoffeln war), und sippte meinen ersten Vietnamnesischen Kaffee (10/10). Das Mädchen einen Tisch weiter blickte auf und lächelte und so setzte ich mich kurzerhand zu ihr. Es war auch Katies erster Tag in Vietnam und gemeinsam zogen wir mit einem anderen Briten (irgendwie ziehe ich immer Briten und Dutchies an, Zufall?!) los, um die Stadt zu erkunden. Es war sehr viel kälter als erwartet, aber immer noch besser als die 5°C in China. Die Regeln auf der Straße waren sehr schnell klar: Laufen und Beten. Wir flanierten durch die geschäftigen Straßen, hielten für Kaffeepausen und schnackten über unsere weiteren Reisepläne. Katie und ich hatten tatsächlich eine sehr ähnliche Route!


Am nächsten Tag ging es auf einen der roten Touri-Busse, was schon so ziemlich alle Klischees bediente, aber da es nieselte und wir nicht viel Lust auf noch mehr rumlaufen hatten, war es eine sehr witzige Tagesaktivität. Abends gingen wir in ein kleine, unscheinbares Restaurant und bezahlten ca. 2 Euro für eine der besten Pho, die ich je hatte.


An Tag 3 machte ich mich alleine auf den Weg ins Kriegsmuseum und Kunstmuseum, wo vorallem letzteres wirklich beeindruckend war. Und da ich meine Haare das letzte Mal in China gewaschen hatte, ging ich abends spontan in eines der zahlreichen Spas. Ja, die Kopf-Spas verdienen ihren Ruf, es war eine absolute Gönnung. Weiter gings mit Katie und den Jungs zum Abendessen und Drinks (ein Bier für 70 Cent? Wie soll man da nein sagen?).

In Nordvietnam gibt es wirklich super viel zu sehen und zu unternehmen, ich wusste gar nicht, mit welcher Tour ich anfangen sollte. Lust, mehr als 2 Minuten Gehirnenergie zu investieren hatte ich auch nicht, und so saß ich für 20 Minuten an der Rezeption, während mir einer der Mitarbeiter die perfekte Route zusammenstellte.


An meinem letzten Tag in Hanoi musste ich mich von Katie verabschieden, die eine Tour nach Cat Ba machte. Doch da wir den Ha Giang Loop zusammen machen wollten, war der Abschied nur von kurzer Dauer. Ich schlenderte durch die chaotischen Gassen Hanois, aß ein Banh Mi (sehr nice, aber hat meine Seele noch nicht erleuchtet 7/10), und endete in einem der süßesten Cafés, die ich seit langem gesehen hatte. Nur Bücher können diesen Effekt auf mich haben, und "tranquil and books" hatte Bücherregale, die bis zur Decke reichten.

Abends ging es auch schon los und ich stieg in meinen ersten Nachtbus. Habe ich viel geschlafen? Nein. Wurde ich wach, weil ich halb and der Fensterscheibe klebte, nachdem der Bus mit sehr viel Schwung in eine Serpentine gefahren ist? Ja.


Sapa

In Sapa angekommen (5 Uhr morgens) konnte ich nur noch an eine Dusche und ein Bett denken. Tja, Pustekuchen. Die sehr unmotivierte Lady an der Rezeption sagte uns, dass wir hier warten sollten, denn die Wanderung gehe erst um 8:30 Uhr los. Und so duschte ich in einem der Gemeinschaftsbäder und versuchte gar nich erst, qualitativ hochwertigen Schlaf zu bekommen. Unsere Tourguide war eine kleine Frau aus einem der lokalen Dörfern und zusammen mit 8 anderen ging die Wanderung los. Als wir an einer Kreuzung ankamen, drehte sich Di um und fragte, ob wir den leichten oder schweren Weg gehen wollten. Was sie nicht sagte, war, dass der schwere Weg ein einziges Schlammfeld war, wo die Aussicht zwar atemberaubend war, aber ich kaum hochgucken konnte, so sehr war ich auf den Weg konzentriert. Charlotte, eine Britin, mit der ich den Großteil des Weges schnackte, mussten irgendwann einfach nur noch lachen, als wir uns uns verzweifelt and riesigen Bambusstämmen festhielten, um nicht auf dem Hintern den Berg runterzurutschen.


Nach einem ausgiebigen Mittagessen ging es weiter, und wir staunten über die endlosen Reisterrassen, Wasserbüffel, und Hühnerkücken. Auf den Feldern sah man fast ausschließlich Frauen, und Di erklärte uns, dass jede Gemeinschaft eine eigene Sprache hatte und Frauen und Männer je nach Verfügbarkeit die Arbeit aufteilten.

Nachmittags erreichten wir das Homestay für die Nacht und waren dankbar, unsere kalten Füße am Lagerfeuer zu wärmen. Die Gruppe war echt einfach toll und wir unterhielten uns ausgelassen über alles, was uns in den Sinn kam. Das Essen, von der Familie zubereitet, der das Haus gehörte, war absolut göttlich, und wir tranken unseren ersten Shot Happy Water (was in einer Teekanne serviert wurde und wie eine stärkere Mischung aus Vodka und Tequila schmeckte). Der Abend ging weiter und wir wurden nur einmal von einem sehr neugierigen, riesigen Wasserbüffel überrascht, der seinen Kopf um die Hausecke streckte und über die Terrasse trabte. Solange, bis die Besitzer mit einer Bambuspeitsche rauskamen und der Büffel das Weite suchte. Seelig glitt ich in meinen Seidenschlafsack (der mir bei ca. 8°C bei nicht vorhandenen Fenstern gute Dienste leistete) und wurde sogar mit einer extra Decke von Charlotte zugedeckt. Hach, Leben ist gut.


Am nächsten Morgen ging die Schlammrutscherei weiter, aber bei strahlendem Sonnenschein und guter Gesellschaft war es absolut machbar. Als wir bei unserem Startpunkt ankamen, war ich echt traurig, meinen neu gewonnenen Freunden Tschüß zu sagen. Zusammen mit Shaam, den ich schon im Bus in Hanoi kennengelernt hatte, ging es Richtung Ha Giang für eine 3-tägige Motorradtour durch die Berge.


Ha Giang Loop

In Hanoi habe ich wirklich von jeder Person gehört, dass die Ha Giang Loop Tour eines der besten Dinge war, die sie je gemacht hatten. Dementsprechend waren die Erwartungen hoch, und ich kann schon vorwegnehmen, dass sie mehr als übertroffen wurden. Für die Überbrückungsnacht, die Tour ging am Donnerstagmorgen los und ich kam am Mittwochabend an, gönnte ich mir ein Privatzimmer im Hostel. Es ist schon krass, wie sehr einem die kleinen Dinge fehlen können. Musik in der Dusche hören, länger als 10 Minuten das Bad blockieren, ohne Kopfhörer Netflix schauen und in Unterhose schlafen zum Beispiel. In der früh ging es direkt los, ich bekam einen Fahrer zugewiesen, klettete Ellbogen- und Knieprotektoren an, und schwupps gings zum Base-Hostel den Berg hinauf.


Und wer saß da am Frühstückstisch? Katie! Man unterschätzt, wie viel eine Person, die man schon ein bisschen kennt und mit der man klickt, wert ist, wenn man alleine in einem fremden Land unterwegs ist. Ihr gegenüber saß Marie, eine Deutsche, die ich auch im Hostel in Hanoi kennengelernt hatte, aber die ich nicht beim Loop erwartet hatte! Die Gang war komplett. Bevor es los ging schnackte ich mit den Kanadiern Greg und John, und damit waren die guten Vibes in der Gruppe schon gesichert.


Bei dem ersten Aussichtspunkt schnackte ich mit anderen Girls in der Gruppe, Maud und Paula, und konnte wiedermal mein Glück mit tollen Menschen nicht fassen.

4 Stunden später und es fühlte sich an, als würde ich den Großteil der Menschen seit Jahren kennen. Nach dem Mittagessen ging es den nächsten Berg hoch, und eines muss man den EasyRidern lassen, mit Serpentinen und Anstiegen hatten sie kein Problem.

Der Nachmittagsstop sah eine kleine Wanderung vor, und Gott, nach der Sapa-Expedition haben meine Beine gezittert. Ich schnackte mit Greg über Musikfestivals und Sport, und schon ging es zurück aufs Bike. Naja, nicht ganz, denn als wir durch ein Schlagloch (welche ca. 80% der Straßen hier ausmachen) fuhren, klapperte etwas am Motorrad, was eigentlich fest sein sollte. Und so wurde ich kurzerhand auf Paulas Motorrad gesetzt, was definitiv ein Erlebnis war haha. Wir erreichten das Fußballfeld, wo die Jungs sich schon die Bälle zuspielten, und setzten uns zu Maud auf die Tribühne. Die Sonne schien uns ins Gesicht, während sie langsam Richtung Westen unterging. Einer dieser Momente im Leben, wo alles simpel und perfekt ist.


Zurück beim Homestay bezogen wir unser Zimmer, was schon sehr starke Klassenfahrts-Vibes hatte. Tatsächlich war es sehr gemütlich, Matratzen auf dem Boden, teilweise durch Vorhänge abgetrennt, und die Stimmung war voller Heiterkeit des grandiosen Tages. Das Abendessen war wieder absolut göttlich, die Frühlingsrollen bewegten sich geschmacklich in einer komplett anderen Dimension, als die, die man in Deutschalnd bekommt.

Der Loop ist auch für seine ausschweifenden Abende bekannt, bei denen es reichlich Happy Water und Karaoke gibt. Das kann ich eindeutig bestätigen. Nach ungefähr 7 (oder waren es doch 10?) Happy Water Shots stand ich mit Maud vorne und grölte Umbrella ins Mikrofon. Nein, ich kann immer noch nicht singen, was erstaunlicherweise niemanden zu stören schien.

Glücklich fielen wir ins Bett, und ich versuchte einmal mehr zu begreifen, dass das gerade mein Leben ist, ohne Verantwortung und Verpflichtungen, gefüllt mit wilden Touren, den besten Menschen und grenzenloser Freiheit.


Tag 2 ließ die Sonne auf uns runterstrahlen, und ich tat es Maud und Katie nach und klemmte meine Kopfhörer unter den Helm. Beste Entschiedung überhaupt. Fahrtwind im Gesicht, Bon Jovi und The Cranberries in den Ohren, die Sonne warm auf der Haut. Blick nach links, ein Tal mit Reisterrassen und Bananenbäumen, Blick nach rechts, riesige Berge, die aussahen wir Zuckerhüte.


Leider hielt die Magie nur so lange an, bis wir eine sehr fragwürdige Straße runter zum Fluss nahmen. Fragwürdig deshalb, weil die sich die Straße offensichtlich noch im Bau befand. Unten angekommen standen jeder und jedem einzelnen der Gruppe der Horror ins Gesicht geschrieben, als der Tourguide verkündete, dass wir diese "Straße" auch wieder zurückfahren würden. Mein Hintern hat immer noch blaue Flecken. Dafür war die Flussboottour ziemlich schön!


Tag 2 endete eigentlich genaus wie Tag 1, mit guten Gesprächen, reichlich Happy Water, und endloser Karaoke. Während Marie und Katie um 21 Uhr tief und fest schliefen, lieferten die Mädels und ich uns ein Billardduell mit den Kanadiern, bis uns die Hände einfroren.


Nein, ich wollte es absolut nicht wahrhaben, dass dieser Samstag der letzte Tag der Ha Giang Loop Tour sein sollte. Ich wollte den Menschen nicht Tschüß sagen, wollte keine getrennten Wege gehen. Was ich wollte war, Zeit mit ihnen zu verbringen, aber nicht mehr auf diesem Motorrad zu sitzen. Beim letzten Aussichtspunkt war die Stimmung schon etwas gedämpfter, sowohl wegen Hintern-Schmerzen als auch letzter-Tag-Melancholie. Die Lichtblicke: Katie, Marie, Tim (auch ein Deutscher, der in Berlin wohnt), und ich würden zusammen den Nachtbus nach Cat Ba nehmen, und Paula, Maud und ich verabredeten uns für Dinner in Ninh Binh ein paar Tage später.

Und trotzdem musste ich bei den letzten Umarmungen ein bisschen mit den Tränen kämpfen.


Yoo, das war ein sehr langer Blog hahah, und er hat nur die erste Woche in Vietnam abgedeckt. Aber ich mach mich gleich an den nächsten!

 
 
 

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